30.11.2004: Narhalla bebt! (Monatliches Fazit November 2004)


Ich ahnte es ja schon: Wenn ein Monat so närrisch beginnt (siehe Kolumne vom 11.11.), dann kann's auch nur so weitergehen...
Nach dem Merzrücktritt geht das lustige Eene-meene-muh-Spiel in der Union fröhlich weiter: Nun also Seehofer. Und die Männer-Therapiegruppe wächst und wächst und wächst...
Langsam wird es da nun Zeit, daß auch von der Regierungskoalition mal wieder ein ordentlicher Bolzen kommt. Die Feiertagsdebatte ist immerhin schon fast in Vergessenheit geraten und das Trara um Hartz IV auch so ziemlich abgeklungen. Selbst der Wirbel um die Standortschließungen bei der Bundeswehr war vergleichsweise lau. Für mich verständlich, denn Deutschlands Freiheit wird schließlich am Hindukusch und im Sudan verteidigt. Bauen wir halt in Kandahar und in Darfur neue Kasernen. Outsourcen nennt man das...
Weltpolitisch scheint das närrische Treiben ungeahnten Höhepunkten entgegenzudriften. Reagierte Frankreich Anfang des Monats auf die Meuchelung von 9 seiner Staatsbürger in der Elfenbeinküste mit der Vernichtung der Luftwaffe des Landes (2 Kampfjets und 9 Hubschrauber - Chapeau!) so überraschte Putin ein paar Wochen später mit der Ankündigung, daß Rußland an der Entwicklung neuer Atomwaffen arbeite und die Niederländer wählten derweil den vor zwei Jahren ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn zum größten Holländer aller Zeiten. Nährt der grandiose Sieg der Grande Nation über die heimtückischen Buschpiloten (Osama hatte vor drei Jahren keinerlei Kampfjets - und was ist passiert?!) immerhin die Hoffnung, daß Paris nun endlich vor seiner Haustür aufräumt und das bedrohliche Andorra besetzt (ungeklärte Herrschaftsverhältnisse und zu allem entschlossene pyrenäengestählte drei Dutzend Bergpolizisten!), so liegen Moskaus Beweggründe für die Abkehr von ihrer bisherigen (erklärten) Abrüstungspolitik noch ziemlich im Dunkeln. Erhofft sich der Kreml etwa vom Einsatz von Interkontinentalraketen einen Durchbruch im Kaukasus? Leuten, die im Nachbarland vorbestrafte Kriminelle (Janukowitsch) an die Macht hieven wollen, wäre auch das zuzutrauen. Doch, ob's was hilft? Weiser wäre sicher die Verwendung der Ölmilliarden (Rußland verdient feste an der derzeitigen Ölkrise) für die sichere Entsorgung schrottreifer Kriegstechnik und die Auszahlung rückständiger Gehälter für Staatsbedienstete (mehrmonatige Soldrückstände sind in der russischen Armee keine Seltenheit) zur Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption gewesen...
Noch ein Wort zur Ukraine. Am 11.11. habe ich mich noch über die Diadochenkämpfe in der palästinensischen Autonomiebehörde mokiert, doch gegen den so genannten Wahlkampf im (ja!) zweitgrößten europäischen Staat, der Atommacht Ukraine, sind das alles nur Kindereien. Da wurde der Oppositionsführer mitten in der heißen Phase durch ein mysteriöses Ekzem lahmgelegt, im Donbass gab's sowjetmäßige 96% Wahlbeteiligung - war da etwa Egon (Krenz) Wahlleiter? - und nun gibt es zwei Wahlsieger, einen "Runden Tisch" sowie wahrscheinlich Neuwahlen. Ein Gemache wie in der letzten Bananenrepublik, und das in Reichweite des roten Knopfes...
Da bin ich immerhin froh, daß die Holländer ihre machtpolitisch größte Zeit schon lange hinter sich haben und in letzter Zeit eher mit erfolglos schönem Fußball, fürchterlichen TV-Exportschlagern (Harry Wijnvoord, die Geschwister de Mol, "Big Brother") und gnadenlos überzüchteten Gewächshaus-Produkten (Tomaten und Marihuana) zu entzücken vermochten. Obwohl, etwas unheimlich sind mir die Käse, Tomaten und Gras fabrizierenden Deichbewohner in den letzten Jahren mit ihrer Euthanasie-Legalisierung und den seltsam inaktiven UN-Soldaten (beim Massaker in Srebrenica im Bosnienkrieg) schon geworden. Nichtsdestotrotz hätte ich aber NIE gedacht, daß die ausgerechnet die Edamer-Ausgabe von Le Pen zum größten Landessohn aller Zeiten küren würden! Volkes Stime hat gesprochen: Eine Zeitgeisterscheinung, die jenseits der Deiche kein Aas kennt, schlägt die Wilhelm von Oranien (Freiheitsheld), Rembrandt und Vincent Van Gogh! Da sind wir hier in Deutschland mit Konrad Adenauer als "unserem Besten" richtig gut weggekommen, es hätte ja durchaus auch Michael Kühnen (auch ein schwuler Fremdenhasser und ebenfalls tot) werden können...

Die Madonna im Toast
Angesichts solch ernsthafter Narreteien ist es fast obszön, wenn zur gleichen Zeit ein paar Scherzkekse sage und schreibe 28.000 US-$ in den Erwerb eines 10 Jahre alten angebissenen Käse-Sandwichs mit Marienerscheinung investieren, und albern, wenn sich katholische Würdenträger (die gerade!) über diesen modernen Reliquienschacher auch noch aufregen. Aber was will man schon erwarten von Zeiten, in denen der "Rolling Stone" (Rockmagazin) den besten Rocksong aller Zeiten kürt, wobei dann richtig "Like a Rolling Stone" von Bob Dylan vor den "Rolling Stones" mit "Satisfaction" zum Sieger erklärt wird - ein Schelm, der Arges dabei denkt...

Bei soviel Narrheit allenthalben, fällt die Wahl recht schwer, wer in diesem Monat wohl den Vogel abgeschossen haben könnte. Aus persönlicher Betroffenheit entscheide ich mich für den rosa Riesen aus Bonn, welcher bekanntlich zum 1. Mai 2005 diejenigen mit 0,2 Cent Zuschlag zum Minutentarif beglücken wird, welche einen Nicht-Telekom-Festnetzanschluß anrufen. Kommentar eines Unternehmenssprechers im Rundfunk: "Die Telekom verdient an den 0,2 Cent keinen Euro." - Ein würdiges Schlußwort!

Nachtrag:
Gut unterrichteten Klatschspalten ist zu entnehmen, daß Kirk (William Shatner) auf seinem Sternentrip (Ho berichtete) Begleitung erhalten hat: Commander Ripley (Sigourney Weaver). Dann kann also nichts mehr schief gehen, falls mal ein Alien vorbeikommt...

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