Die Krise, die Schuld und der Regen

Seit Tagen wieder nur Regen! Draußen geht die Welt unter und dabei ist doch Sommer. Der Himmel heult, die Wirtschaft krankt und auch die Menschen werden nicht gesünder, trotz all dem parteipolitisch eingefärbten Zweckoptimismus. Ich sehe natürlich zu schwarz und es ist ja auch richtig: Man muß die Krise nur unverschämt genug angrinsen, dann wird sie schon den Schwanz einkneifen und sich dahin verziehen, wo sie hingehört. Nach Osteuropa etwa.

Melancholische Sturzbäche rinnen aus tiefhängenden Wolken, verwandeln Vorgärten und Keller in Feuchtbiotope, Kartoffel- und Maisschläge in Reisfelder, spülen Urlaubsträume in den Gully und Lebenspläne in die Nordsee. Wenigstens werden in diesem Sommerloch wohl keine Fahrradführerscheinpläne geschmiedet werden – es ist ja Wahlkampf und außerdem steht die Elbe bereits im Orchestergraben der Semperoper: Die Natur ist scheinbar stinksauer, daß sie bisher als Wahlkampfthema so stiefmütterlich behandelt wurde und meldet sich dafür jetzt rachelüstern mit Rekordpegelständen zu Wort...

In den Diskussionsrunden tobt derweil das Für und Wider über das Woher und Wohin nach der großen Flut, ist die Rede von schneller und unbürokratischer Soforthilfe. Die Zeit wird’s weisen, wie das den Weltmeistern im Voltigieren des Amtschimmels gelingen wird. Andererseits - das Leben ist ja bekanntlich im Wasser entstanden und scheinbar hat soll es dem unergründlichen Ratschluß von Mutter Natur folgend auch wieder dahin zurückkehren. Zumindest hier bei uns. Die Parole „Zurück zu den Wurzeln!“ müßte dann wohl gänzlich neu aufgefaßt werden, denn wer hätte geahnt, daß Buckelwal, Tintenfisch und Ohrenqualle am Ende als Sieger dastehen könnten?

Immerhin, Deutschland rückt wieder zusammen, wird allenthalben berichtet – geschlossene Front gebildet gegen die Naturgewalten, der Katastrophe unerschrocken den Sandsack ins schadstofftriefende Maul geschleudert, alles packt da mit an. Was macht es da schon, wenn hier und da ein noch intakter Damm geflutet wird, damit das Hochwasser statt der eigenen Kuhbläke das Nachbardorf überschwemmt? Du redest wieder alles kaputt, wird mir gesagt. Irgendwie hat man das irgendwann schon mal so ähnlich gehört und Defätisten gehören erschossen im Überlebenskampf eines Volkes!

Schade eigentlich, daß der Bundestag bereits nach Berlin übergesiedelt ist. Im Wasserwerk stand immerhin mit schöner Regelmäßigkeit der Rhein. Ob Spree, Havel und Panke da mitbieten können? Schwerlich. Von Klimakollaps werden die Experten wohl erst dann reden, wenn die Staatsführung wieder auf den Obersalzberg umgezogen ist und der amerikanische Präsident im U-Boot zum Staatsbesuch anreist. Weltwirtschaftsgipfel werden auf hermetisch gesicherten Hochseeyachten und Flugzeugträgern abgehalten. Leute, holt schon mal Segel- und Angelscheine nach. Ich bin auf Tauchstation...

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