Die Gipsmade

(gewidmet dem schweigenden Patienten in Weiß aus „Catch 22“)

Nachts liege ich wach und zähle die Wassertropfen, die ins Waschbecken fallen – das kann ich gerade noch. Und hören. Und sehen. Und – daliegen...
Ich hasse es, so dazuliegen! Eingegipst in mein Bett, die Beine gespreizt, damit ich denen weniger Arbeit mache. Ausgeliefert der schweigenden Maschinerie ihrer berufsbedingten Hilfsbereitschaft.
Dreimal am Tag schütten sie ihren ekelhaften Schleim in mich hinein, dreimal kratzt mir jemand meine Exkremente zwischen meinen Schenkeln hervor, dreimal wechseln sie den Schlauch, der in meinem Arm steckt. Schreien möchte ich, doch mein Mund ist verklebt – also bin ich still. Da ich schweige, geht es mir gut – als Patient bekomme ich sicher Bestnoten...
Die Schwestern schweigen auch. Am Anfang haben sie noch geplappert: „Guten Morgen, Herr Müller – wir essen jetzt Mittag, Herr Müller – Pfui Teufel, Herr Müller!!!“ – Jetzt tropft nur noch der Wasserhahn: „Tock-tock, tock-tock.“ – Ich höre sie ächzen, wenn sie mir die Bettpfanne unterschieben, sehe ihre angewiderten Gesichter, wenn sie mir das Ding wieder herauszerren – und möchte sterben...
Ich bin irgendwie eine riesige, unförmige Bienenmade, die in ihrer Gipswabe von schweigenden Arbeiterinnen bedient wird. Da liege ich nun – und warte auf meine Verpuppung. – „Tock-tock! Tock-tock!“ – Bald werde ich schlüpfen...

Ob sie dann schreien?

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